Der neue Versorgungsausgleich

von Rechtsanwältin Dr. Manuela Jorzik
Fachanwältin für Erbrecht und Familienrecht

Seit dem 1. September 2009 ist das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs in Kraft getreten. Das neue Gesetz ist auf Verfahren anwendbar, die nach diesem Zeitpunkt bei Gericht anhängig gemacht worden sind und ab dem 1. September 2010 grundsätzlich auf alle Verfahren, bei denen noch keine Entscheidung ergangen ist, also auch auf vor dem Inkrafttreten der Reform eingeleitete Verfahren.
Ziel des Gesetzes ist, den Versorgungsausgleich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Nach dem Grundsatz der internen Teilung soll nunmehr jeder einzelne Versorgungsanspruch, den ein Ehepartner während der Ehezeit erworben hat, im jeweiligen Versorgungssystem zwischen beiden Ehegatten aufgeteilt werden. Dieser Grundsatz soll eine gerechtere Aufteilung der Versorgungsanwartschaften der Eheleute sicherstellen. Gerechter deshalb, weil die nach bisherigem Recht fehleranfälligen Umrechnungen der unterschiedlichen Versorgungen entfallen. Bereits mit der Scheidung entsteht ein eigener Anspruch auf Versorgung. Die Eheleute müssen sich nicht Jahre nach der Scheidung noch einmal über Versorgungsfragen auseinandersetzen wie bisher oftmals z. B. bei der Betriebsrente.

  •     Einzubeziehende Rechte

Es werden weiterhin die in der Ehezeit durch Arbeit oder Vermögen für den Fall des Alters und der Invalidität erworbenen Versorgungen ausgeglichen. Bei Betriebsrenten und den Anrechten nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (z.B. Riester Renten) werden auch die Kapitalzusagen einbezogen, nicht jedoch bei anderen Versorgungsarten. Lebensversicherungen auf Kapitalbasis fallen daher weiterhin in den Zugewinnausgleich. Bei den Betriebsrenten und Anrechten nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz führt die Neuregelung dazu, dass es nicht mehr auf die Form der konkreten Versorgungszusage ankommt.
Beispiel: Daimler AG   
Das Daimler Vorsorge Kapital ist bis zum 31. August 2009 nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen worden; ab dem 1. September 2009 fließt es hingegen in den Versorgungsausgleich.

  •     Was bedeutet die interne Teilung?

Jedes einzelne Rentenanrecht wird für sich geteilt. Dies führt dazu, dass für den Ausgleichsberechtigten  bei demselben Versorgungsträger, bei dem das Anrecht des Pflichtigen besteht, ein Anrecht mit dem gleichen Risikoschutz begründet wird. Es unterliegt auch der gleichen Wertentwicklung wie das Anrecht des Pflichtigen. Die interne Teilung führt daher zu einem selbständigen Versorgungskonto für den Ausgleichsberechtigten.

Beispiel der internen Teilung:

Rentenanwartschaften der Ehefrau
4,28 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung
Auszugleichen an den Ehemann sind dann 2,14 Entgeltpunkte.

Riester-Rente
Bei der XY-Versicherung hat die Ehefrau in der Ehezeit angespart einen Anteil in Höhe von  8.800 €.
An den Ehemann sind 4.200 € auszugleichen, indem für den Ehemann bei der XY-Versicherung ein Konto für eine Riester Rente mit einem Kapital in der obigen Höhe eingerichtet wird.

Rentenanwartschaften des Ehemannes
8,42 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung
Auszugleichen an die Ehefrau sind dann 4,21 Entgeltpunkte.
Da die Ehefrau an den Ehemann 2,14 Entgeltpunkte und der Ehemann an die Ehefrau 4,21 Entgeltpunkte übertragen müsste, können die beiden Werte verrechnen werden mit der Folge, dass nur vom Konto des Ehemannes 2,07 Entgeltpunkte auf das Konto der Ehefrau übertragen werden.

Betriebsrente
Der Ehemann hat bei der Unterstützungskasse der ABC AG in der Ehezeit einen Wert von 20.000 € erwirtschaftet.
Für die Ehefrau ist bei der Unterstützungskasse der ABC AG ein eigenes Konto in Höhe von 10.000 € einzurichten.

  •     Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich ist bzw. soll in folgenden Fällen nicht durchgeführt werden:

  •     Ausschluss wegen kurzer Ehezeit

Bei einer Ehezeit bis zu 3 Jahren findet ein Versorgungsausgleich grundsätzlich nicht statt.

  •     Ausschluss aufgrund Vereinbarung

Ein Versorgungsausgleich findet ebenfalls nicht statt, wenn die Ehegatten diesen durch notariellen Vertrag ausgeschlossen haben. Früher mussten solche Verträge – die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Scheidung geschlossen worden sind – vom Gericht genehmigt werden. Heute findet eine gerichtliche Überprüfung nur dahingehend statt, ob diese Vereinbarung von Anfang an als sittenwidrig zu verwerfen oder aufgrund rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung durch das Gericht anzupassen ist.
Insgesamt werden durch die Neuregelung die Gestaltungsspielräume für die Ehegatten erheblich erweitert. Allerdings wird es auch zukünftig zu beanstanden sein, wenn der Hausfrau und Mutter in einer nicht kurzen Ehe jegliche Teilhabe an dem Zuwachs an Altersanrechten des Mannes abgesprochen wird. Jedoch kann der Ausgleich künftig durch Vereinbarung auf ehebedingte Nachteile beschränkt werden, also auf die Höhe der aus eigener Erwerbstätigkeit (z.B. als Arzthelferin) nicht erzielten Rentenanwartschaften und Außerachtlassung der höheren Rentenanwartschaften des Ehepartners (z.B. als Arzt).

Tipp:
Dadurch, dass wesentlich mehr Gestaltungsspielräume für eine Vereinbarung gegeben werden, ist mit Ihrem Anwalt oder einem Rentenberater eingehend zu erörtern, ob die gesetzlich vorgesehene Ausgleichung der unterschiedlichen Versorgungen tatsächlich durchgeführt werden soll, was zu einer Zersplitterung der einzelnen Versorgungen führt. An deren Stelle kann eine interne Verrechnung der wechselseitigen Ausgleichsansprüche oder andere Möglichkeiten des Ausgleichs (z.B. Übertragung einer Immobilie) vorzugswürdig sein.

  •     Ausschluss wegen Geringfügigkeit

In Bagatellfällen soll ein Versorgungsausgleich nicht stattfinden. Geringfügig ist ein Ausgleich bei einer Monatsrente von 25,55 € und einem auszugleichenden Kapital von 3.066 €.

  •     Ausschluss aus Härtegründen

Wie bisher kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, wenn dieser aus Härtegründen grob unbillig wäre.

Weitere wichtige Änderungen:
Rentner- und Pensionistenprivileg weggefallen

Besonders schwerwiegend für die Betroffenen ist die Abschaffung des sogenannten Rentner- und Pensionistenprivilegs durch das neue Recht. Bisher wurde dann, wenn der Ausgleichpflichtige bei Scheidung bereits Rente oder Pension bezog, seine Rente oder Pension erst gekürzt, wenn der andere Ehegatte seinerseits Leistungen aus dem Versorgungsausgleich (d.h. selbst Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente) erhielt. Insbesondere bei großem Altersunterschied der Ehegatten stellte dies einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für den Ausgleichspflichtigen dar. Dies entfällt nunmehr. Kürzungsmöglichkeiten gibt es künftig nur, wenn Unterhaltsleistungen erbracht werden, wenn eine Invaliditätsrente oder  eine Rente wegen Erreichens einer vorgezogenen Altersrente gezahlt wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch Ihren Anwalt sorgfältig zu prüfen.

  •     Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen bei Betriebsrenten

Der Gesetzgeber hat sich jetzt für das Nettoprinzip entschieden. Bisher ist beim Ausgleich von Betriebsrenten im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleich der Ausgleichswert zugunsten des anderen geschiedenen Ehegatten aus der Bruttorente berechnet worden. Jetzt ist bestimmt, dass die auf den Ausgleichwert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbare Aufwendungen vorab in Abzug zu bringen sind. Die auf den Ausgleichswert entfallende Lohnsteuer kann nach § 10a Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgabe abgesetzt werden.  

Zusammenfassung:

Der neue Versorgungsausgleich gibt mehr Gestaltungsspielräume für Vereinbarungen. Untätigbleiben mit der Folge, dass die gesetzlichen Ausgleichsmechanismen in Gang gesetzt werden, kann für die Ehegatten wirtschaftlich ungünstig sein.
Erörtern Sie diese Fragen mit Ihrem Anwalt.

der Artikel als PDF ►

Facebook Twitter Google+ LinkedIn Xing
Benutzername:
User-Login
Ihr E-Mail
*